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Internationale Taubentagung in Wien - Nachlese

© Tierschutzombudsstelle Wien
© Tierschutzombudsstelle Wien

In Wien gibt es entsprechend einer Studie aus dem Jahr 2006 ca. 150.000 Stadttauben. Diese Tiere sind nicht gleichmäßig über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Auf der Suche nach Futter findet man sie vor allem dort, wo ihnen die Menschen dieses bieten.  Also auf großen, stark frequentierten Plätzen, Bahnhöfen und in Fußgängerzonen mit vielen Imbiss-Ständen. Sie treten an solchen Orten oft in Schwärmen von mehreren hundert Tieren auf und werden dann als lästig empfunden. Solche „Tauben-Hotspots" sind zum Beispiel das Schottentor, der Praterstern oder die Fußgängerzone Meidling.

2011 startete die Tierschutzombudsstelle Wien (TOW) mit Unterstützung der Bezirksvorstehung des 12. Wiener Gemeindebezirkes ein Pilotprojekt, um dem Hotspot Fußgängerzone Meidling tierschutzgerecht zu begegnen. Sie initiierte die Errichtung eines Taubenkobels am Dachboden des Magistratischen Bezirksamtes.

In einem Taubenkobel werden Tauben gefüttert, mit frischem Wasser versorgt, bekommen Nistmöglichkeiten zur Verfügung gestellt und verbringen, wie Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, aufgrund dieser Annehmlichkeiten bis zu 80% ihrer Zeit im Schlag. Damit holt man sie weg von der Straße.

Das hat mehrere Vorteile. Durch die Versorgung mit artgerechtem Futter sind die Tiere besser ernährt. Über das bereit gestellte Trinkwasser können die Tauben bei Bedarf durch die Zugabe von Medikamenten gezielt gegen bestimmte Krankheiten und Parasiten behandelt werden.  Kurz gesagt, die Tauben sind gesünder. Zudem kann der Tausch der frisch gelegten Eier gegen Eiattrappen die Taubenzahl kontrolliert werden.

Am 11. Juni 2013 fand im Magistratischen Bezirksamt Meidling eine von der TOW organisierte internationale Taubentagung statt. Ziel der Veranstaltung war, das Taubenprojekt Meidling zu evaluieren und Experten auf dem Gebiet sowie die unterschiedlichen betroffenen Personengruppen zusammenzubringen und den Erfahrungsaustausch zu fördern.

Nach der herzlichen Begrüßung der TagungsteilnehmerInnen durch den Bezirksvorsteherin-Stellvertreter, Herrn Peter Kovar, eröffnete der Organisator der Veranstaltung, Mag. Hermann Gsandtner, Tierschutzombudsmann von Wien, den Reigen der Vortragenden. Unter dem Titel "Wiener Erfahrungen im Umgang mit Stadttauben" (Zusammenfassung) führte er zunächst ins Thema ein. Er sprach über die rechtliche Stellung der Stadttaube in Wien, ihre Herkunft, Biologie, Soziologie, Ernährungsstrategien und die tatsächlichen  und vermeintlichen  Probleme, die sie dem Menschen macht. Danach erläuterte er das Augsburger Modell zur Taubenkontrolle, welches bei der Errichtung des Taubenkobels Meidling Pate gestanden ist. Abschließend erfolgte eine Analyse der aktuellen Situation des Projektes in Wien und der bisher aufgetretenen Schwierigkeiten.

Hans Lutsch von der ARGE Stadttauben Salzburg berichtete aus seinem reichen Fundus an Erfahrungen bei der Installierung eines Taubenkobels am Hauptbahnhof Salzburg (Zusammenfassung).  Nach eindringlichen Worten zu den schwierigen Lebensbedingungen der Stadttauben in unseren Städten, welche durch die Domestikation zu „Bettlern und obdachlosen Geschöpfen" wurden, erläuterte er die vier Säulen seines Konzeptes der Tauben-Betreuung: 1. Betreute Taubenschläge, 2. Krankenstation, 3. Rehabilitationseinrichtung, 4. Auffangstation. Dabei wurde vor allem dem Thema Krankenstation vermehrtes Augenmerk geschenkt. Er betonte, dass für den Erfolg eines derartigen Projektes die Zusammenarbeit sämtlicher betroffener Personenkreise eine unabdingbare konzeptionelle Voraussetzung darstellt.

Dagmar Jansen, Expertin der AG Stadttauben des Stadtplanungs- und Stadtmessungsamtes in Esslingen am Neckar („10 Jahre Stadttaubenkonzept Esslingen am Neckar – Ziel und Realität")  (Zusammenfassung) stellte unter dem Motto  „Obdach finden für Aschenputtels Lieblinge" die in Esslingen eingerichteten Taubenkobel vor und erläuterte den so wichtigen Punkt der Öffentlichkeitsarbeit, frei nach dem Motto Albert Schweizers -  „Tierschutz ist Erziehung zur Menschlichkeit". Zuletzt zog sie ein positives Resümee für die Esslinger Innenstadt. In 10 Jahren konnte die Zahl der Tauben von 900 auf 400 reduziert werden.

Peter Kahr vom Tiroler Tierengel e.V. („Betreute Taubenschläge – Innsbrucker Pilotprojekt") gewährte einerseits Einblicke in seine Tätigkeit als Tierschützer, andererseits in sein Vorhaben, im ehemaligen Olympiadorf einen Taubenschlag zu errichten. Er gab spannende Planungsdetails preis und nahm aus der anschließenden regen Diskussion zahlreiche Anregungen für sein Projekt mit nach Hause.

Dr. med. vet. Almut Malone, Tierärztin aus Berlin („Beobachtungen zur Einflussnahme auf die Vermehrung verwilderter Haustauben in einer Großstadt – Resümee nach zehn Jahren aktiver Praxis in Berlin") (Zusammenfassung) betonte den durchaus plausiblen Unterschied zwischen dem intelligenten und liebenswerten Individuum Stadttaube und dem als Belästigung empfundenen Taubenschwarm. Die Erfahrungen mit diversen Bestandsverminderungsversuchen in der Vergangenheit wurden ebenso  thematisiert  wie die aktuell gängige Praxis der Taubenabwehr. Griffige Bilder aus der Praxis führten dem Publikum drastisch und anschaulich vor Augen, warum Abwehrnetze und Spikes nicht als tierschutzgerecht eingestuft werden können und dass eine einfache Verblechung das Problem oft viel effizienter und dauerhafter zu lösen vermag. Geradezu ein Aha-Erlebnis stellte für viele TagungsteilnehmerInnen der schlicht aber effektiv vorgebrachte Hinweis dar, die in der Literatur genannten Zahlen (Populationsgröße, Kotmenge) kritisch zu sehen und nach Möglichkeit selbst auf Plausibilität zu überprüfen, da diese im Hinblick auf das Taubenproblem häufig dramaturgischer Überhöhung unterliegen.  

Hr. Peter H. Arras von der AKT öffnete den auf die Stadttaube fokussierten Blick auf das Ökosystem Stadt, auf die Biodiversität dieses Lebensraumes und auf die ethische Verantwortung jedes einzelnen gegenüber allen Mitgeschöpfen (Zusammenfassung).  Die Stadttaube verdient demnach dieselbe Aufmerksamkeit wie z.B. Hund oder Katze. Ein Gedanke, der in einer menschbezogenen Gesellschaft, in der das Tier oft nur mehr als Produktionsfaktor, Konsumartikel, Freizeitspaß, Hobby oder Luxusartikel gesehen wird, nicht nur wertemäßig einiges in Lot rückt, sondern auch im Hinblick auf die Finanzierung jeden einzelnen in die Pflicht nimmt.

Hr. Mag. Peter Fiedler, Geschäftsführer der ASSA Objektservice GmbH und Mitbetreuer des Pilotprojektes Tauben-Kobel Meidling („Tiergerechter Umgang mit Tauben im urbanen Bereich") gab einen Überblick über die aktuell verfügbaren Bekämpfungs- und Vergrämungsmöglichkeiten aus der Sicht des Schädlingsbekämpfers.

Dr. Cornelia Ehmayer, Stadtpsychologin („Lösungsansätze für eine tier- und menschengerechte Regulierung der Stadttaubenproblematik") ging auf die vielseitigen und vielschichtigen psychologischen Möglichkeiten ein, alle beteiligten Personenkreise im Rahmen dieses Projektes zur Kooperation und Unterstützung zu bewegen.

DI Wilfried Doppler, Mitarbeiter der Wiener Umweltanwaltschaft (WUA)(„Taubenfallen in der Stadt") (Zusammenfassung) zeichnete mit einer enormen Fülle brutal aussagekräftiger Fotos ein glasklares Bild vogelfeindlicher Transparenz im Gebäude- und Städtebau. Was uns wunderbar hell und lichtdurchflutet, vom Einheitsgrau befreiend erscheint, wird für viele Vögel zur tödlichen Falle. Daher ist es wichtig, bei der Errichtung von Glasfronten ein optisch entsprechend gestaltetes Vogelschlagglas zu verwenden beziehungsweise bestehende Verglasungen nachzurüsten. Beispiele für gelungene Projekte gibt es. Eines davon ist das Amtsgebäude in der Muthgasse 62, wo der Wiener Umweltanwalt und die Wiener Tierschutzombudsstelle ihre Büros haben.

Zu guter Letzt erläuterte Mag. Fridolin Müller („Wer gurrt da, und wie viele?") die Methodik und Ergebnisse der Taubenbestandsschätzung in Wien aus dem Jahr 2006.

Die Tierschutzombudsstelle Wien bedankt sich bei der Bezirksvorstehung Meidling für die Zurverfügungstellung der Tagungsräumlichkeiten, bei den Vortragenden für die fachlich wertvollen Beiträge und beim Publikum für die rege Diskussion.

 

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