Qualzucht: Wenn die Optik auf die Nerven geht
07.01.2021 | Bei Qualzucht wird oftmals zunächst an offensichtliche Merkmale wie Kurzköpfigkeit, Hautfalten oder Haarlosigkeit gedacht. Doch gibt es auch eine Reihe neurologischer Symptome und Erkrankungen, die durch die Zucht auf besondere optische Merkmale entstehen können.
Sehr weit verbreitet und auch hinlänglich bekannt ist die sensorineurale Taubheit, die bei bestimmten Weißfärbungen – zum Beispiel beim Dalmatiner – auftritt. Natürlich kann ein Hund mit Taubheit ebenso gut leben wie ein hörender Hund. Dennoch ist seine Wahrnehmung selbstverständlich eingeschränkt. Für die Halter bedeutet das Training und das Führen eines solchen Hundes eine wesentlich größere Herausforderung als es bei einem gesunden Tier der Fall ist.
In den letzten Jahren ist besonders der Rhodesian Ridgeback – ein Hund aus Afrika, der dort zur Löwenjagd eingesetzt wird – in Mode gekommen. Seine imposante äußerliche Erscheinung wird durch einen Kamm von Haaren, die am Rücken in die Gegenrichtung wachsen, dem sogenannten "Ridge", noch verstärkt. Doch genau dieses optische Merkmal, das den Ridgeback so interessant macht, führt in einigen Fällen zu einer Erkrankung namens Dermoid Sinus. Es handelt sich dabei um eine embryonale Fehlbildung, bei der die Zellen, die später die Haut bilden sollen, nicht ausreichend von denen des Nervenzellsystems getrennt werden. Dabei entsteht eine Zyste, in der sich kanalartige Hautstrukturen bilden, die mit Sekret gefüllt sind. Die Krankheit ist vererbbar und führt zu schweren neurologischen Problemen und Lahmheit. Betroffen sind Hunde mit Ridge, selten auch andere Rassen. Interessant dabei ist, dass die Erkrankung bei Hunden ohne Ridge (die in Würfen immer wieder vorkommen, aber nicht erwünscht sind) kaum auftritt. Ein weiterer Fall, in dem die Optik des Hundes leider wichtiger zu sein scheint als seine Gesundheit.
Auch Epilepsie zählt zu den neurologischen Erkrankungen. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass diese vererbbar ist, da sie bei einigen Rassen bestimmter Zuchtlinien gehäuft vorkommt. Beim Rhodesian Ridgeback ist mittlerweile der Nachweis erbracht worden, dass ein Gendefekt für die Krankheit verantwortlich ist.
Besonders belastend für die Hundehalter*innen und äußerst schmerzhaft für den Hund ist die vom Cavalier King Charles Spaniel bekannte Syringomyelie. Das ist eine angeborene Anomalie der hinteren Schädelregion, die zu einer Überfüllung der hinteren Schädelgrube und damit zu erhöhtem Druck auf das Kleinhirn und den Kleinhirnstamm führt. Hunde mit Syringomyelie kratzen sich schreiend am Kopf und versuchen so, diesem Druck und den damit verbundenen Schmerzen zu entgehen. Hier liegt ganz klar ein schwerer Fall von Qualzucht vor, da diese Erkrankung bei Hunden kleiner Rassen auftritt, die außerdem das Qualzuchtmerkmal der Brachycephalie – also einen stark verkürzten Gesichtsschädel – tragen.
Aus Tierschutzsicht ist die Zucht mit solchen Tieren abzulehnen.