Hund "ohne Nase": Gericht bestätigt Qualzucht
08.04.2024 | Das Bezirksgericht Baden hat entschieden, dass eine mehrfach prämierte Englische Bulldogge Qualzuchtmerkmale aufweist und daher nicht mehr auf Hundeschauen in Österreich ausgestellt werden darf. Die Wiener Tierschutzombudsfrau Eva Persy sieht das Urteil als Paradebeispiel für die Diskrepanz zwischen Rassestandard und Tierwohl und fordert Verbesserungen im geplanten „Anti-Qualzucht-Paket“.
Das Gesicht platt, jeder Atemzug ein hörbarer Kampf – es braucht kein*e Expert*in, um auf den ersten Blick zu erkennen, dass extrem kurzschnäuzige Hunde ein leidvolles Dasein fristen. Der Halter einer Englischen Bulldogge, deren rassetypischen Merkmale so "schön" ausgeprägt sind, dass sie auf diversen Hundeausstellungen prämiert wurde, sah hingegen keine Qualzucht: Er ging gerichtlich gegen einen Tierfreund vor, der den Hundehalter nach mehreren Ausstellungen bei den jeweiligen Behörden angezeigt hatte. Doch statt des erhofften Persilscheins gab es für den Kläger eine derbe Niederlage: Das Bezirksgericht Baden bestätigte, dass der Hund etliche Qualzuchtmerkmale aufweist – und somit in Österreich nicht mehr ausgestellt werden darf.
Die Englische Bulldogge gilt als Paradebeispiel für die Auswüchse in der Rassehundezucht. Im sogenannten Rassestandard, den die privaten Zuchtverbände selbst festlegen, ist u.a. ein kurzes Gesicht mit breitem, stumpfen Fang vorgeschrieben. Ebenfalls gewünscht: Der Unterkiefer soll den Oberkiefer überragen. Für diese "Schönheitsideale" werden verschiedene "Nebeneffekte" in Kauf genommen. Bei den Englischen Bulldoggen führte die Zucht nach solchen Standards konkret zu einem multifaktoriellen Gesundheitsproblem. Die Federation of European Companion Animal Veterinary Associations (FECAVA), die Veterinärmediziner*innen aus 37 Ländern in ganz Europa vertritt, hat in einer viel beachteten Stellungnahme sogar festgestellt, dass die Zucht von Englischen Bulldoggen aus Gründen des Tierschutzes gänzlich abzulehnen sei.
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Tierschutz-Novelle: Handhabe gegen Tierleid schaffen
Wie ist es dann möglich, dass der klagende Hundehalter mit seinem Tier in der Vergangenheit unbehelligt etliche Preise einheimsen konnte? "Leider fehlt es hier auf verschiedenen Ebenen am nötigen Problembewusstsein. Regulatorische Defizite sind z.B. weitreichende Ausnahmebestimmungen vom Qualzucht-Verbot und fehlende klare Vorgaben. Das zuständige Ministerium hat es viel zu lange verabsäumt, das geltende Qualzucht-Verbot klarer auszuführen. Das soll nun geändert und eine verbesserte Beurteilungsbasis für den Vollzug geschaffen werden. Grenzfälle wird es wahrscheinlich immer geben, aber Hunde "ohne Nase" sollten endlich der Vergangenheit angehören", erläutert Tierschutzombudsfrau Persy.
Mit der kommenden Tierschutz-Novelle soll sichergestellt werden, dass künftig nur mehr gesunde Tiere gezüchtet werden dürfen. In der Begutachtung des Gesetzesentwurfs hat das groß angekündigte "Anti-Qualzucht-Paket" jedoch nur mäßig abgeschnitten. "Es ist noch nicht zu spät", appelliert Persy. "Der Entwurf kann und muss noch verbessert werden, um endlich eine starke Handhabe gegen dieses vermeidbare Tierleid zu schaffen."
"Dieser aktuelle Gerichtsfall zeigt auf, wie weit die Welten des Rassehundewesens und das Recht von Tieren auf Freiheit von Qual, Schmerz und Leid auseinanderliegen können."
Eva Persy, Leiterin der Tierschutzombudsstelle Wien